Folge 4: Das Fremde bei Lovecraft, Schmitt und Lem

Shownotes

Ungeheuer sind uns fremd. Doch das Fremde hat viele Gesichter und Gestalten. Welche Bilder des Fremden lassen sich in der modernen Kultur entdecken? Und was sagen diese über unser Selbstbild, unsere Hoffnungen und Ängste sowie unser Verständnis von Gesellschaft und Politik, Religion und Wissenschaft aus? Darüber wollen wir in dieser und der kommenden Folge mit unserem Gast Olof Jebram sprechen. Olof ist Sozialwissenschaftler und Pädagoge mit besonderem Interesse an ästhetisch-praktischer Bildung, außerdem langjähriger Rollenspieler mit einer Vorliebe fürs kooperative Erzählen gewaltfreier Geschichten – ohne Regelsystem, ohne Spielleitung und manchmal sogar ohne Rollen.

Im ersten Teil unserer Doppelfolge wollen wir mit Olof über Leben und Werk dreier bedeutender Autoren des 20. Jahrhunderts sprechen: den amerikanischen Horror-Schriftsteller Howard Phillips Lovecraft (1890-1937), den deutschen Staatsrechtler und politischen Denker Carl Schmitt (1888-1985) und den polnischen Philosophen, Essayisten und Science-Fiction-Schriftsteller Stanislaw Lem (1921-2006), der dieses Jahr im September seinen 100. Geburtstag feiert. Wie der Blick auf diese Autoren zeigt, kann uns das Fremde in der modernen Kultur als kosmisches Grauen, politischer Feind oder schlechthin Unbegreifliches begegnen. Gemeinsam ist Lovecraft, Schmitt und Lem trotz aller Unterschiede eine pessimistische Grundhaltung, welche sich skeptisch bis ablehnend gegenüber der Möglichkeit einer Verständigung mit dem Fremden zeigt und jeden Gedanken an gegenseitiges Vertrauen radikal ausschließt. Da diese Vorstellungen nicht ohne ihren zeitgeschichtlichen Kontext zu begreifen sind, reden wir ebenfalls über Kolonialismus und Rassismus, die konservative Kritik der Massenkultur und die existentielle Spiritualität der Nachkriegszeit. Außerdem gibt es Anmerkungen zum Naturkult der Jahrhundertwende und, ja, Tintenfische.

Angesichts dieser düsteren Visionen wollen wir in der nächsten Folge (# 5) zeigen, dass man dem Fremden auch mit Neugier und Vertrauen begegnen kann. Diese optimistische Grundhaltung findet sich im 20. Jahrhundert exemplarisch bei der finnischen Schriftstellerin und Illustratorin Tove Jansson (1914-2001), der Erfinderin der Mumins, und dem japanischen Animationskünstler und Filmregisseur Hayao Miyazaki (*1941), Mitbegründer von „Studio Ghibli“, über die wir im zweiten Teil unserer Doppelfolge mit Olof sprechen wollen.

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Kapitelmarken:

00:00 Begrüßung und Vorstellung

02:46 Gesichter des Fremden

11:35 H. P. Lovecraft

19:00 Carl Schmitt

24:58 Stanislaw Lem (I)

27:27 Exkurs über Kulturkritik

31:10 Stanislaw Lem (II)

42:42 Zusammenschau und Vergleich

48:59 Verabschiedung

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Weil wir das Gespräch nicht in ein Korsett zwängen wollten, haben wir diesmal auf Berichte aus der therapeutischen Spielepraxis und Empfehlungen für Indie-RPGs verzichtet. Grundsätzlich sollen diese aber Bestandteil unseres Podcasts sein, daher wird es sie in späteren Folgen wieder geben. Tipps und Ideen sind natürlich jederzeit willkommen!

Hier noch der Hinweis zum Buch, das Olof bei 07:43 erwähnt: Wolfgang Wickler, Die Biologie der zehn Gebote und die Natur des Menschen. Wissen und Glauben im Widerstreit, Berlin/Heidelberg: Springer Spektrum 2014.

Kontaktmöglichkeiten: Olof ist am besten auf Discord zu erreichen, entweder auf dem Server von Farpoint Station oder auf dem Server der Waldritter, dort meist in der „Rollenspiel-Werkstatt“ oder beim „Stammtisch“.

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Fragen, Kommentare, Anregungen? Lob oder Kritik? Schreibt uns einfach!

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Urheberrechtshinweis: Für Intro und Outro werden die Sounds „Monster Roar“ von darkzanite und „Ambient Intro“ von Kelewin verwendet, beide unter einer Creative Commons Attribution License verfügbar.

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„Ich habe auf dieser Welt kein ausgesprocheneres Ungeheuer und Wunder gesehen als mich selbst.“ (Montaigne)

„Welche Chimäre ist doch der Mensch! Welch Unerhörtes, welch Ungeheuer, welch Chaos, welch widersprüchliches Wesen, welch Wunder!“ (Pascal)

„Der ist ein Ungeheuer, der nicht die liebt, die seinen Geist befruchtet haben.“ (Voltaire)

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.“ (Nietzsche)

Kommentare (4)

Björn Herzig

Hallo Michael! Die Traditionslinie war mir selbst nicht so klar, wir wurden da auch von Olof aufgeklärt ... Interessant finde ich den Gedanken, dass manche Themen von beiden Seiten des politischen Spektrums her anschlussfähig sind.

Michael Kleu

Coole Folge! Das Kulturkritiker so einen rechts-konservativen Touch hat, war mir gar nicht klar, erklärt aber einiges, wenn ich überlege, wer sich heute so alles als Kulturkritiker bezeichnet. Interessant!

Björn Herzig

Hallo Stefan! Freut uns sehr, wenn Dir die Folge gefallen hat. Vielen Dank für Deinen wichtigen Hinweis auf die m. E. berechtigte Kritik am Begriff der Fremdenfeindlichkeit. Dass der Begriff in den von Dir genannten Zusammenhängen nicht nur unpassend erscheint, sondern unwillkürlich sogar die Perspektive der Täter übernimmt, finde ich sehr einleuchtend. Ein gutes Beispiel dafür, wie Sprache unser Denken prägt und wie ein unreflektierter Umgang mit Sprache (in den Medien, aber auch anderswo) rassistische Vorurteile zementieren kann. Wie Du schon schreibst, ging es in unserer Folge allerdings um einen allgemeinen Begriff des Fremden, d. h. um "das Fremde" als soziologische Kategorie. Damit sind gerade jene Vorstellungen beschrieben, die zur Ausgrenzung, Stigmatisierung etc. dienen und (wie sich insbes. mit Blick auf Lovecraft zeigt) einen der Ursprünge der Idee des Monströsen bilden. Insofern kann die Beschäftigung mit dem Begriff des "Fremden" vielleicht sogar dazu führen, sich dessen gefährliche Implikationen (die noch im Begriff der "Fremdenfeindlichkeit" nachhallen) bewusst zu machen. Darauf hätten wir sicher im Podcast noch hinweisen können. Manche Gedanken hat man eben nicht sofort parat, und außerdem wollten wir den Gesprächsfluss nicht zu sehr unterbrechen. Grundsätzlich finde ich, dass Olofs Ausführungen differenziert und sensibel genug waren, um die problematischen Aspekte insbes. von Lovecraft und Carl Schmitt aufzuzeigen. Lovecrafts Rassismus und Sexismus sowie Schmitts Nähe zum nationalsozialistischen Regime und Gedankengut wurden klar benannt. Auf jeden Fall freuen wir uns, wenn die Folge zum Nachdenken angeregt hat! Im zweiten Teil unseres Gesprächs mit Olof werden wir zum Ausgleich ja auch die Möglichkeit einer optimistischen Grundhaltung gegenüber dem Fremden erforschen, die durch Neugier und Vertrauen geprägt ist. Wir hoffen, Du bleibst dabei! Liebe Grüße!

Stefan Schüller

Vielen Dank für die sehr kurzweilige und gelungene Folge. Ich fand Euer Gespräch sehr anregend für mein Rollenspiel, aber auch darüber hinaus treiben mich seitdem die Fragen nach dem "Fremden" und dem Umgang damit um. Durch Eure Folge habe ich auch nochmal über den Begriff der "Fremdenfeindlichkeit" neu nachdenken müssen. Wenn es allgemein um das "Fremde" bzw. die Abgrenzung darum geht, passt der Begriff in Eurer Folge - gerade mit Blick auf Monster im Rollenspiel - sehr gut und ist auch naheliegend. Vielleicht wäre dennoch ein kleiner Exkurs zur Kritik an der Verwendung des Begriffs der "Fremdenfeindlichkeit" in unserer Gesellschaft schön gewesen. So kritisierten beisipielsweise nach den rechtsradikalen Anschlägen in Hanau betroffene Personen die Verwendung des Adjektives "fremdenfeindlich" für die Taten durch die Medien. Menschen, die hier geboren sind/schon seit Jahren hier wohnen oder sich einfach nur hier wohl fühlen, als Fremde zu bezeichnen, ist an sich ja schon fragwürdig, noch dazu kommt, dass man, wenn ich die Kritik richtig verstanden habe, damit die Perspektive der rechtsradikalen Täter übernimmt, die eben Menschen als "fremd" brandmarken und damit rassistische Angriffe legitimieren. Will aber auch nicht rummäckeln. Ihr macht das ja hobbymäßig und dennoch voller Elan. Vielen Dank für Euer Engagement. Freue mich schon sehr auf die nächste Folge!

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