Folge 5: Das Fremde bei Jansson und Miyazaki

Shownotes

Ungeheuer sind uns fremd. Doch das Fremde hat viele Gesichter und Gestalten. Welche Bilder des Fremden lassen sich in der modernen Kultur entdecken? Und was sagen diese über unser Selbstbild, unsere Hoffnungen und Ängste sowie unser Verständnis von Gesellschaft und Politik, Religion und Wissenschaft aus? Darüber haben wir in dieser und der letzten Folge mit unserem Gast Olof Jebram gesprochen. Olof ist Sozialwissenschaftler und Pädagoge mit besonderem Interesse an ästhetisch-praktischer Bildung, außerdem langjähriger Rollenspieler mit einer Vorliebe fürs kooperative Erzählen gewaltfreier Geschichten – ohne Regelsystem, ohne Spielleitung und manchmal sogar ohne Rollen.

Im ersten Teil unserer Doppelfolge haben wir uns mit Olof über Leben und Werk von H. P. Lovecraft, Carl Schmitt und Stanislaw Lem unterhalten. Gemeinsam ist diesen drei Autoren trotz aller Unterschiede eine pessimistische Grundhaltung, welche sich skeptisch bis ablehnend gegenüber der Möglichkeit einer Verständigung mit dem Fremden zeigt. Angesichts dieser düsteren Aussicht wollen wir im zweiten Teil unserer Doppelfolge zeigen, dass man dem Fremden auch mit Neugier und Vertrauen begegnen kann. Diese optimistische Grundhaltung findet sich im 20. Jahrhundert bei der finnlandschwedischen Schriftstellerin und Illustratorin Tove Jansson (1914-2001), der Erfinderin der Mumins, und dem japanischen Animationskünstler und Filmregisseur Hayao Miyazaki (*1941), dem Mitgründer von Studio Ghibli. Auch in ihrem Werk stellt die Auseinandersetzung mit dem Fremden ein zentrales Thema dar; anders als Lovecraft, Schmitt und Lem begreifen sie das Fremde jedoch nicht als kosmisches Grauen, politischen Feind oder rätselhaft Unzugängliches, sondern als soziales Gegenüber, welches prinzipiell eine Annäherung und Verständigung erlaubt. In Janssons frühen Romanen über die Mumins werden fremdartige Wesen ganz selbstverständlich in die alltägliche Lebenswirklichkeit integriert, obwohl sie stets einen unverständlichen Aspekt behalten. In den phantastischen Geschichten von Miyazaki (Mein Nachbar Totoro, Chihiros Reise ins Zauberland) wird der Reifeprozess der kindlichen Protagonistinnen von einer wachsenden Vertrautheit mit dem Fremden begleitet, die sogar in Freundschaft münden kann.

Vor diesem Hintergrund wollen wir fragen, wie der konstruktive Umgang mit dem Fremden aufs Rollenspiel übertragen werden kann. Lässt sich die Begegnung mit Monstern auf eine Weise erzählen, die nicht immer schon mordlüsternes Grauen in ihnen erblickt? Anhand von Beispielen aus seiner langjährigen Spielpraxis berichtet Olof, wie sich traditionelle Rollenspiel-Szenarien in diesem Sinne umgestalten lassen. Im Fokus stehen hier Horror-Abenteuer in der von Lovecraft inspirierten Welt des Cthulhu-Mythos sowie Old School Dungeon Crawls. Außerdem bekommt ihr Tipps, wie ihr eigene Abenteuer entwerfen könnt, die im Anschluss an Jansson und Miyazaki eine Einübung in den kognitiven, moralischen und sozialen Umgang mit dem Fremden ermöglichen. Monsterzähmen leicht gemacht!

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Kapitelmarken:

00:00 Begrüßung

01:43 Skepsis vs. Vertrauen

02:36 Miyazaki (I)

05:25 Jansson (I)

16:04 Miyazaki (II)

24:16 Jansson (II)

25:40 Zusammenschau und Vergleich

29:11 Anwendung aufs Rollenspiel

36:42 Cthulhu-Mythos

43:30 Lem/Miyazaki-RPGs

47:45 Old School Dungeon Crawls

54:20 Verabschiedung

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Wer sich für kognitive Entwicklungspsychologie interessiert (vgl. 28:29), dem empfiehlt Olof zum Einstieg Jean Piaget, Meine Theorie der geistigen Entwicklung, Beltz: Weinheim (4. Aufl.) 2016.

Die BBC-Dokumentation Moominland Tales: The Life of Tove Jansson ist derzeit auf YouTube verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=tYgC0nKyF0g&t=2627s

Kontaktmöglichkeiten: Olof ist am besten auf Discord zu erreichen, entweder auf dem Server von Farpoint Station oder auf dem Server der Waldritter, dort meist in der „Rollenspiel-Werkstatt“ oder beim „Stammtisch“.

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Fragen, Kommentare, Anregungen? Lob oder Kritik? Schreibt uns einfach!

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Urheberrechtshinweis: Für Intro und Outro werden die Sounds „Monster Roar“ von darkzanite und „Ambient Intro“ von Kelewin verwendet, beide unter einer Creative Commons Attribution License verfügbar.

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„Ich habe auf dieser Welt kein ausgesprocheneres Ungeheuer und Wunder gesehen als mich selbst.“ (Montaigne)

„Welche Chimäre ist doch der Mensch! Welch Unerhörtes, welch Ungeheuer, welch Chaos, welch widersprüchliches Wesen, welch Wunder!“ (Pascal)

„Der ist ein Ungeheuer, der nicht die liebt, die seinen Geist befruchtet haben.“ (Voltaire)

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.“ (Nietzsche)

Kommentare (4)

Björn Herzig

Hallo Michael, vielen Dank! Genau, die Geschöpfe von Tove Jansson und Hayao Miyazaki sind hervorragende Beispiele dafür, dass sich "Ungeheuer" auch ganz anders denken und gestalten lassen. Olofs Auswahl war da wirklich scharfsinnig und die Zusammenstellung ungewöhnlich. Nach der pessimistisch-skeptischen Sicht auf das Fremde bei Lovecraft, Schmitt und Lem wollten wir im zweiten Teil unseres Gesprächs unbedingt eine positive Perspektive aufzeigen, die dem Fremden mit Neugier und Vertrauen begegnet.

Michael Kleu

Sehr spannende Sendung! Interessant, Monster mal so "gegen den Strich" zu betrachten.

Björn Herzig

Hehe, vielen lieben Dank! Das freut uns wirklich sehr! 🤩

Mogwei

Hat Mogwei viel Spass gemacht Euch zuzuhoeren 😃. Sehr interessant und inspirational. Weiter so! 👍😃

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