Folge 19: Mythos, Vernunft und Spiel

Shownotes

Pünktlich zu Ostern haben die vernünftigen Ungeheuer einen Gast zu Besuch, auf den sie sich schon lange freuen: den Religions- und Politikwissenschaftler Dr. Michael Blume, Buchautor, Wissenschaftsblogger, Podcaster und seit 2018 Bundesbeauftragter des Landes Baden-Württemberg gegen Antisemitismus. Was viele überraschen wird: Michael ist auch ein waschechter Nerd, den Fantasy, Science-Fiction und Rollenspiele schon seit Jugendzeiten begleiten. In unserem Gespräch wollen wir von ihm wissen, weshalb Phantastik und Wissenschaft keinen Gegensatz bilden und auf welche Weise Monster, Mythen und Rollenspiele als Werkzeuge der Aufklärung dienen können.

Zunächst erfahren wir, wie die Begeisterung für Fantasy Michaels persönlichen Bildungsweg geprägt hat. Wir sprechen darüber, wie das Gestalten phantastischer Welten im Rollenspiel erlaubt, eigene Talente zu entdecken und ungewohnte Rollen einzuüben. Diese Erfahrungen von Selbstwirksamkeit beugen dem Gefühl von Ohnmacht vor, welches für dualistische Verschwörungsmythen empfänglich macht. Im Gegensatz hierzu plädiert Michael für eine monistische Mythendeutung, welche die Welt als gemeinsames Ganzes begreift, das es im Dialog zu erschließen gilt. Die ,Mitarbeit am Mythos‘ zeigt sich auch in der Neuinterpretation traditioneller Mythen und Monster durch die Gemeinschaft der Fantasy-Fans. Auf diese Weise lässt sich eine offene Haltung gegenüber dem Fremden einüben, welche dieses nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung erfährt. Mythen und Monster werden in den Dienst einer gemeinsamen Entängstigung gestellt, welche dazu beitragen kann, rassistisches Freund-Feind-Denken und politisch-religiösen Extremismus zu überwinden.

Kommt mit auf einem Streifzug durch die Mythologien von Star Wars, Faerûn und Mittelerde, Islam, Christentum und Hinduismus! Neben einer Fülle persönlicher und historischer Anekdoten erfahrt ihr dann auch, warum Michael dafür kämpft, den vierten Mai als offiziellen Feiertag zu etablieren!

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Kapitelmarken:

00:00:00 Three is Company!

00:03:31 Jugend, Bildung, Spiel

00:09:50 Gemeinsam gewinnen

00:19:28 Absolute Monster?

00:24:18 Relativismus, Dualismus, Monismus

00:35:00 Mitarbeit am Mythos

00:53:42 Monster zähmen

01:06:07 Phantastik und Aufklärung

01:11:34 Weibliche Erzählungen

01:19:02 Unverfügbare Moderne

01:24:45 Ankündigungen

01:28:43 Shoutout & Tschüss!

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Shoutout:

https://waldritter-berlin.de/

https://twitter.com/WaldritterB

https://www.instagram.com/waldritter_berlin/

E-Mail: berlin@waldritter.de

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Links zu Dr. Michael Blume:

https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/

https://www.youtube.com/@MichaelBlume

https://bghistorian.hypotheses.org/1727

https://twitter.com/BlumeEvolution

https://www.instagram.com/blume_religionswissenschaft/

Mastodon: @BlumeEvolution@sueden.social

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Fragen, Kommentare, Anregungen? Lob oder Kritik? Schreibt uns einfach!

https://vernunftgeheuer.podigee.io

https://youtube.com/@vernunftgeheuer

https://twitter.com/vernunftgeheuer

https://instagram.com/vernunftgeheuer

https://facebook.com/vernunftgeheuer

E-Mail: vernunftgeheuer@outlook.com

Ihr wollt die vernünftigen Ungeheuer unterstützen? Dankeschön!

https://ko-fi.com/vernunftgeheuer

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Urheberrechtshinweis: Für Intro und Outro werden die Sounds „Monster Roar“ von darkzanite und „Ambient Intro“ von Kelewin verwendet, beide unter einer Creative Commons Attribution License verfügbar.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

„Ich habe auf dieser Welt kein ausgesprocheneres Ungeheuer und Wunder gesehen als mich selbst.“ (Montaigne)

„Welche Chimäre ist doch der Mensch! Welch Unerhörtes, welch Ungeheuer, welch Chaos, welch widersprüchliches Wesen, welch Wunder!“ (Pascal)

„Der ist ein Ungeheuer, der nicht die liebt, die seinen Geist befruchtet haben.“ (Voltaire)

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.“ (Nietzsche)

Kommentare (2)

Björn Herzig

Hallo Julian! Ganz herzlichen Dank für Deinen ausführlichen und interessanten Kommentar. Wir freuen uns sehr, dass Dir unser Podcast so gut gefällt! Wie Du schon sagst, ist der Ansatz eher ungewohnt - umso schöner, wenn er Anklang findet! Deine Gedanken zu Michael Blumes Monismus-Konzept sind ziemlich scharfsinnig: Tatsächlich könnte es als Fluchtpunkt einer wechselseitigen Verständigung dienen, die einen erkenntnis- bzw. kommunikationstheoretischen Relativismus überbietet. Ich bin ganz bei Dir, dass die konstruktivistischen bzw. poststrukturalistischen Modelle mit Blick auf die (aktuell sehr relevante!) Frage nach der Möglichkeit, gesellschaftlichen Konsens herzustellen, nicht unbedingt weiterhelfen. Ich hoffe, Michael baut seine Konzeption - gerade mit Blick auf ihre gesellschaftlichen Implikationen - in Zukunft weiter aus. Bei Interesse kannst Du ihn auch gerne persönlich (z. B. über Twitter, Instagram oder seinen Blog bei scilogs) anschreiben - er ist sehr zugänglich und diskussionsfreudig! Im Philosophiestudium ist mir überdies Karl-Otto Apels Transzendentalpragmatik begegnet, die eine ähnliche Stoßrichtung verfolgt. Vielleicht kannst du damit etwas anfangen. Mit Blick auf die Frage, ob die Originalität menschlicher Erzählleistungen durch KI entwertet wird, kann ich Dir nur zustimmen: Da die Technik noch sehr neu ist und sich rasch entwickelt, gibt es verständlicherweise viel Unsicherheit. Aus verschiedenen Gründen bin ich aber zuversichtlich, dass KI die menschliche Phantasie niemals restlos ersetzen, sondern bestenfalls ergänzen kann. Wenn ich Michael richtig verstehe, würde er da auch mitgehen. Nochmal vielen Dank für Deine Ideen! Momentan sind Kathrin und ich leider ziemlich beschäftigt (Kathrin mit der Entwicklung edukativer Rollenspiele, ich mit meiner Dissertation), deshalb musste der Podcast die Sommermonate über pausieren. Wir haben aber schon neue Folgen aufgenommen und müssen nur Zeit für die Nachbearbeitung finden. Hoffentlich geht es im Herbst weiter! Falls Du Kritik, Anregungen oder Vorschläge für Themen hast, kannst du dich gerne wieder melden. Herzliche Grüße! Björn

Julian Gräml

(Wieder einmal) eine großartige Folge! Man kommt, um etwas über phantastische Wesen zu erfahren, man geht mit Lebensweisheiten. :) Das Konzept des Monismus finde ich sehr spannend. In meinem Studium der Kommunikationswissenschaft und Geschichte habe ich häufig mit konstruktivistischen Ansätzen zu tun. Deren Implikation, es gebe (im Extremfall) ohnehin keine allgemein erfahrbare Wahrheit, fand ich nicht nur etwas unbefriedigend, sondern auch schwierig in Bezug auf Herstellung von gesellschaftlichem Konsens. Hier bietet der Monismus eine interessante Ergänzung durch die gemeinsame Annäherung an eine - wenn auch nie gänzlich erreichbare - allgemeine Wahrheit. Nur bei einer Sache möchte ich nicht ganz mitgehen: Michael Blumes (vielleicht etwas überspitzte) Aussage, man könne (in Zukunft) weniger stolz auf eigene Erzählleistungen sein, da ChatGPT und Konsorten ohnehin bessere Texte kreieren können. Selbst wenn generative KI Texte schaffen, die sprachlich schön klingen, der inhaltlich-kreative Input stammt immer noch vom Menschen. Sicher sind Texte noch nie im luftleeren Raum entstanden, sondern stets durch gegenseitige Inspiration, was natürlich zum Konzept der Mitarbeit am Mythos passt. Aber dass dies die Einzelleistung Erzählender schmälere, sehe ich nicht, und würde das Konzept der (Einzel-)Autorenschaft nicht ganz über Bord werfen wollen. (Vielleicht fühlt sich hier auch nur der Schreiberling in mir angekratzt, der sich durch ChatGPT ohnehin schon in Bedrängnis sieht ...) ;) Danke jedenfalls für eure tolle Arbeit, die Kombination von Nerd-Themen und wissenschaftlicher Reflexion findet leider viel zu selten statt. Ich freue mich schon sehr auf die nächste Folge!

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.