Folge 7: Die Ordnung der Monster

Shownotes

Heute wollen wir über Bestiarien sprechen, also über die systematische Klassifikation von Lebewesen. Bereits in der letzten Folge haben wir gehört, dass die Grenze zwischen Tieren und Ungeheuern stets neu definiert wurde. Auch die Art, wie wir Lebewesen einteilen, hat sich in der Geschichte fortwährend verändert. Diese Verschiebungen sind bedeutsam, da die menschlichen Gliederungsversuche unseren Blick auf die Kreaturen und unser Verhältnis zu ihnen bestimmen. Die Frage nach der Ordnung der Monster ist verbunden mit der Frage nach unserem Platz in der Welt.

Zunächst wollen wir die biologischen Versuche zur Einteilung der Lebewesen unserer echten Welt beleuchten. Erste Vorschläge zur Gliederung stammen von Aristoteles, wie auch die wirkmächtige Idee einer Stufenleiter der Natur. In der Aufklärung entwirft Carl von Linné eine universale Taxonomie aller bekannten Lebewesen sowie ein Schema zu ihrer Benennung nach Gattungen und Arten. Die moderne Evolutionsbiologie vollzieht schließlich einen Bruch mit der traditionellen Vorstellung vom dem anthropozentrischen Stammbaum des Lebens, indem sie sich allein am Kriterium phylogenetischer Verwandtschaft orientiert.

Von den natürlichen geht es zu den phantastischen Bestiarien. Wir untersuchen die Ansätze zur Einteilung der Lebewesen in drei beliebten Fantasy-Rollenspielen: Das Schwarze Auge, Dungeons & Dragons und Dungeon Crawl Classics. Inwiefern orientieren sich die Bestiarien dieser Spiele an den Taxonomien der Biologie? Und welchen Platz nehmen die Monster in ihrer Systematik ein? Mit Blick auf RuneQuest wollen wir zeigen, dass die Grenzen zwischen Spielercharakteren und Monstern fließend sind. Hierdurch wird es in so gegensätzlichen Spielen wie Vampire, Ratten! und My Little Pony möglich, selbst Kreaturen und Monster zu spielen. Viel Spaß beim Hören!

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Kapitelmarken:

00:00 Bestiarien und ihre Bedeutung

04:48 Aristoteles

11:01 Carl von Linné

16:14 Ernst Haeckel

17:42 Moderne Evolutionsbiologie

23:28 Phantastische Bestiarien

24:45 DSA

28:45 D&D

33:42 DCC

36:38 Zusammenschau und Vergleich

38:08 Monster als Spielercharaktere?

43:57 Dank und Shoutout

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Literaturempfehlung:

Campbell, N. A./J. B. Reece: Biologie, Heidelberg/Berlin 2003.

Leisering, Horst/Michael Lohmann: Grosser Naturführer, Trautwein 1991.

DSA-Rollenspiel-Podcast: https://fyyd.de/episode/6057269

Mos Blogbeitrag: https://rezensionen.nandurion.de/2020/12/17/monster-am-spieltisch

Mos Spielhilfe: https://webzine.nandurion.de/2019/12/01/wir-sind-orks-dsa5-regelpaket

Mos Website und Podcast: https://hochleveln.de

Monstersystematik DSA: https://ulisses-regelwiki.de/bestiarium.html

Monstergenerator DSA: https://webzine.nandurion.de/2018/12/23/ungeheuerlich-der-ultimative-monstergenerator

Monstersuchmaske DnD: https://dnddeutsch.de/monster

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Inhaltshinweis:

Ab 15:13 diskutieren wir den traditionell auch in Rollenspielbüchern verwendeten Begriff der ,Rasse‘ und zeigen auf, weshalb er aus naturwissenschaftlicher Sicht zur Beschreibung menschlicher Kulturen (real oder phantastisch) ungeeignet ist.

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Urheberrechtshinweis: Für Intro und Outro werden die Sounds „Monster Roar“ von darkzanite und „Ambient Intro“ von Kelewin verwendet, beide unter einer Creative Commons Attribution License verfügbar.

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„Ich habe auf dieser Welt kein ausgesprocheneres Ungeheuer und Wunder gesehen als mich selbst.“ (Montaigne)

„Welche Chimäre ist doch der Mensch! Welch Unerhörtes, welch Ungeheuer, welch Chaos, welch widersprüchliches Wesen, welch Wunder!“ (Pascal)

„Der ist ein Ungeheuer, der nicht die liebt, die seinen Geist befruchtet haben.“ (Voltaire)

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.“ (Nietzsche)

Kommentare (5)

Björn Herzig

Hallo Michael! Vielen lieben Dank. Orks sind wirklich ein Paradebeispiel für Monster, die erst allmählich zu kulturschaffenden Wesen umgedeutet wurden. Bei Tolkien werden sie ja noch ziemlich undifferenziert böse dargestellt. Die DSA3-Box über das Orkland hab ich mir damals auch geholt und war begeistert, wie sehr dort auf ihre Klan- und Stammeskultur eingegangen wird. Darin war sogar ein Soloabenteuer enthalten, in dem man einen Ork spielen konnte und so Gelegenheit hatte, sich in die vermeintlichen Monster einzufühlen (vgl. auch den Link oben zur Spielhilfe von Moritz). Wirklich spannend, wenn die traditionelle Gut/Böse-Dichotomie zunehmend aufgelöst wird! Eine analoge Entwicklung (inklusive Revision antisemitischer Klischees) hat Michael Blume übrigens für Zwerge beschrieben: https://bghistorian.hypotheses.org/1727. Beste Grüße!

Michael Kleu

Unterhaltsame Folge! Ich erinnere mich noch daran, wie damals (TM), irgendwann in den 90ern, Orks bei DSA einfach so ein wilder Haufen bösartiger Kreaturen waren. Dann gab es auf einmal die Orks-Box, durch die aus ihnen ein "Kulturvolk" gemacht wurde. Das war schon ganz spannend eigentlich.

Markus

Danke für deine Antwort, Björn! Ich liebe Arrival und die zugrundeliegende Kurzgeschichte. Dass Sapir-Whorf hier sogar namechecked werden ist mir natürlich ein Dorn im Auge, haha! (The small hill I am willing to die on.)

Björn Herzig

Hallo Markus! Schön, dass Dir die Folge gefallen hat. Ich kann mir vorstellen, dass Du als Linguist über den Satz gestolpert bist. Tatsächlich hatte ich dabei weniger an Sapir/Whorf als an die Tradition des philosophischen Sprachdenkens in der deutschen Aufklärung und Romantik (Hamann, Herder, Humboldt) gedacht. Natürlich ist die Formulierung zu Beginn der Sendung etwas salopp und überspitzt: Ich wollte nur darauf hinweisen, dass die Art, wie wir Monster begrifflich einteilen, ein bestimmtes Verständnis von ihnen voraussetzt und wiederum befördert. Wenn, wie Du sagst, zwischen Sprache, Kultur und Denken Wechselwirkungen bestehen, heißt das u. a. ja auch, dass Sprache das Denken mitbestimmt. In diesem Sinne: Danke für die Differenzierung! Eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Sapir-Whorf-Hypothese, bei der es um die Verständigung mit (außerirdischen) Monstern geht, findet sich übrigens in dem Film „Arrival“ (2016) von Denis Villeneuve. Herzliche Grüße! 

Markus

Eine feine Folge, danke! Als Linguist möchte ich den Satz "die Sprache bestimmt unser Denken" nicht so stehen lassen. Spätestens seit den 90ern und "The Language Instinct" ist die alte Sapir-Whorf-Hypothese umstritten bis widerlegt. Wir können sehr gut Dinge denken, die nicht in unserer Sprache abgebildet oder systematisiert sind. Natürlich stehen Kultur, Sprache und Denkschemata miteinander in Verbindung, aber es das funktioniert in alle Richtungen, also die Kultur bestimmt die Sprache mindestens so sehr wie die Sprache die Kultur (und das Denken).

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