Folge 8: Realismus im Rollenspiel

Shownotes

„In dieser Gegend gibt es keine Monster!“

„Der Drache passt doch nicht durch den Eingang der Höhle!“

„So viel kannst du gar nicht tragen!“

Den Vorwurf, etwas sei unrealistisch, hören Rollenspieler:innen öfters am Spieltisch. Ebenso das Lob, dass eine Spielwelt, Handlung oder Charakterdarstellung besonders realistisch sei. Was aber meinen wir damit? Sind fiktive Gegenstände, Orte oder Ereignisse immer schon unrealistisch? Und ist ein Spiel, das die Wirklichkeit mit Regeln und Miniaturen detailliert simulieren will, besonders realistisch?

Heute haben wir eine besondere Folge für Euch, in der es ausnahmsweise nicht um Ungeheuer geht. Zum Abschluss des Jahres haben wir beim Podwichteln der „Greifenklaue“ teilgenommen und dort zwei Themen zugelost bekommen, von denen wir eines in dieser Folge besprechen. rpgDAN hat uns eine interessante Frage gestellt, die uns ohnehin schon länger beschäftigt: „Vom Mongolensturm über den Zweiten Weltkrieg bis zur Berliner Mauer – wie real(istisch) darf ein Setting sein?“

Mit Blick auf die philosophische Erkenntnistheorie wollen wir zunächst klären, was Realismus überhaupt bedeutet. Einen guten Einstiegspunkt bietet hier das methodische Zweifels-Experiment von René Descartes (1596-1650). Außerdem untersuchen wir den Realismusbegriff in der Literatur des 19. Jahrhunderts. Danach sprechen wir über verschiedene Formen des Realismus im Rollenspiel – psychologisch, historisch, gesellschaftspolitisch, naturwissenschaftlich und technisch. Wir fragen, welchen Sinn realistische Darstellungen im Rollenspiel haben, was realistische Ansätze leisten können und wo ihre Grenzen und Gefahren liegen. Viel Spaß beim Hören und einen frohen Advent!

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Kapitelmarken:

00:00 Hallo & Einführung ins Thema

01:41 Böse Fragen am Spieltisch

05:19 Was heißt Realismus?

07:44 Descartes’ Zweifels-Experiment

12:40 Realismus in der Literatur

15:40 Realismus im Rollenspiel

15:55 Psychologischer Realismus

17:46 Historischer Realismus

19:11 Politisch-gesellschaftlicher Realismus

20:28 Naturwissenschaftlicher Realismus

22:50 Technischer Realismus

25:03 Glaubwürdigkeit als Kriterium

26:15 Realismus vs. Simulationismus

28:33 Warum Realismus?

32:56 Realismus-Klischees

35:12 Alternativen

38:18 Shoutout, Dank & schöne Feiertage!

Anmerkung: Den utopischen Roman Die Propellerinsel (1895) hat nicht der frühaufklärerische Schriftsteller Johann Gottfried Schnabel, sondern Jules Verne verfasst. Von Schnabel stammt dagegen der - ebenfalls utopische - Roman Insel Felsenburg (1731-43).

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Literaturempfehlung:

Auerbach, Erich: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Tübingen: Narr (11. Aufl.) 2015 [Erstveröffentlichung 1946].

Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie von Descartes zu Wittgenstein, Paderborn: utb (4. Aufl.) 2019.

Website der Greifenklaue: https://greifenklaue.wordpress.com

YouTube-Kanal von rpgDAN: https://youtube.com/c/DerDan

Website von Dr. Michael Kleu: https://fantastischeantike.de

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Fragen, Kommentare, Anregungen? Lob oder Kritik? Schreibt uns einfach!

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Urheberrechtshinweis: Für Intro und Outro werden die Sounds „Monster Roar“ von darkzanite und „Ambient Intro“ von Kelewin verwendet, beide unter einer Creative Commons Attribution License verfügbar.

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„Ich habe auf dieser Welt kein ausgesprocheneres Ungeheuer und Wunder gesehen als mich selbst.“ (Montaigne)

„Welche Chimäre ist doch der Mensch! Welch Unerhörtes, welch Ungeheuer, welch Chaos, welch widersprüchliches Wesen, welch Wunder!“ (Pascal)

„Der ist ein Ungeheuer, der nicht die liebt, die seinen Geist befruchtet haben.“ (Voltaire)

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.“ (Nietzsche)

Kommentare (8)

Björn Herzig

Hallo Andreas! Perfekt, so machen wir's! Werden uns einfach ein bisschen auf Deinem Blog umschauen und dann sehen, wo wir am besten mit unseren Gedanken einsteigen können. Bei der Themenvielfalt gibt es sicher mehr als genug Anknüpfungspunkte! Und nochmal sorry wegen der verspäteten Antwort! Unser Schweigen war keinesfalls als Desinteresse gemeint - im Gegenteil: Tatsächlich wollten wir Deinem Kommentar eine gebührende Antwort widmen und dafür natürlich auch Deinen Blog in Augenschein nehmen. Daher haben wir uns zuerst um die Resonanz in den sozialen Medien gekümmert (die meist schneller abzuarbeiten ist), und darüber ist Dein Kommentar ein wenig unter die Räder gekommen. Das tut uns wirklich leid! Umso schöner wäre es, dieses Jahr für einen Gedankenaustausch zusammenzukommen. Danke auch für Deine Ermutigung, das Reflexionsniveau der Folgen im Bestreben nach einem populären Zugang nicht übermäßig herunterzuschrauben. Gerade bei philosophischen Themen ist es zuweilen nicht einfach, eine Balance zu finden. Deine Themenvorschläge für künftige Folgen werden wir uns zu Herzen nehmen. Hatten selbst schon mal überlegt, eine Einführung in regionale Mythen und ihre Ungeheuer zu geben. Die keltische Folklore oder die Märchenwelt der Brüder Grimm wären sicher eine gute Wahl - ebenso wie bestimmte außereuropäische Gefilde (z.B. Japan ). Der Gedanke, einzelne Kreaturen nach Oberbegriffen zu ordnen bzw. einem überregionalen, eher vergleichenden Ansatz zu folgen, klingt auch sehr reizvoll. Mal schauen, was sich dieses Jahr realisieren lässt ... Auf jeden Fall herzlichen Dank für Deine Anregungen! Wir hören uns bald - bis dahin liebe Grüße und weiterhin viele gute Ideen für Deinen Blog! Björn

Andreas (RPGnosis)

Hallo Björn - schön, dass der Kommentar noch gelesen wurde. :) Danke für das Lob - gerne können wir im Lauf des Jahres mal Kontakt aufnehmen für ein eventuelles gemeinsames Projekt. Am besten schreibt ihr mich per Mail an, wenn ihr Interesse habt (rpgnosis ät web de), und ich schaue, ob ich mir zeitnah Zeit freischaufeln kann zwishen Familie und Arbeit. Ich freue mich darauf, mehr von euch zu hören - und noch als Nachtrag zur Sonderfolge: bitte brecht euer Niveau nicht herunter, ich finde gerade euren etwas anspruchsvolleren Zugang reizvoll. Gerne auch noch trockener. :) Was ich auch gute Themen fände, wären Darstellungen von regionalen Sagen- bzw. Mythenwelten (mit Fokus auf die übernatürlichen Wesen, natürlich), z.B. der britische Raum mit seinen Redcaps, Bhargests, Kelpies und so weiter - insbesondere für die vielen Figuren, die einzeln keine ganzen Folgen hergeben. Oder eben im Kontext von Oberbegriffen wie dem "Kleinen Volk" Folgen (oder Mehrteiler) über verschiedene Gestalten, die sich in unterschiedlicher Form in verschiedenen Kulturkreisen finden, sich thematisch aber zusammenfassen lassen. Auch die deutsche Märchenwelt hätte sicher eine ausführliche Betrachtung ihrer Fabelwesen verdient... Danke für euren informativen und unterhaltsamen Cast, macht weiter so!

Björn Herzig

Hallo Andreas! Vielen herzlichen Dank für Deine lieben Worte. Solche Wertschätzung motiviert ungemein! Deinen Blog kannten wir bisher tatsächlich noch nicht und haben jetzt erst die Zeit gefunden, uns näher damit zu beschäftigen. Großes Kompliment - was für eine Fundgrube an Einsichten und Reflexionen rund um unser Lieblingshobby! Die von Dir angesprochenen Themen finden auch wir äußerst spannend und könnten uns gut vorstellen, sie in kommenden Podcast-Folgen zu behandeln. Bei der Rollenspieltheorie gehst Du tatsächlich ans Eingemachte - der gemeinsame Vorstellungsraum ist auch für uns ein Schlüsselkonzept. Auch Deine Überlegungen zu Rollenspiel vs. Erzählspiel, Immersion vs. Flow, Spielwelt-Regel-Realismus und stance klingen sehr anregend! Kathrin wird sich überdies für Deine jüngsten Gedanken zum Rollenspiel mit Kindern interessieren, da sie in der Hinsicht seit einigen Jahren praktisch tätig ist und mit ihrem Projekt "eduTale" (http://www.edutale.de/) Rollenspiel als Methode der Bildung (z.B. in schulischem oder therapeutischem Kontext) fruchtbar zu machen sucht. Ich denke auch, dass wir eine recht ähnliche Auffassung von Rollenspielen und einen verwandten theoretischen Zugang haben. Vielleicht ergibt sich im kommenden Jahr mal die Möglichkeit zu einem Gespräch bzw. einer kreativen Zusammenarbeit - würde uns sehr freuen! Bis dahin werden wir Deinen Blog weiter durchforsten und wünschen Dir viel Erfolg bei der Entwicklung von "Triakonta"! Herzliche Grüße!

Andreas (RPGnosis)

Hallo ihr zwei, ich habe euren Podcast erst vor kurzem entdeckt und höre mich gerade durch. Ihr seid eine gewaltige Bereicherung für die Szene und hebt euch inhaltlich mit eurem Thema ziemlich aus der Menge heraus - Hut ab! Zu just dieser Folge kann ich es mir aber nicht sparen, nachzufragen, ob ihr vielleicht mein Blog kennt... (https://rpgnosis.wordpress.com). Dort finden sich nicht nur einige Artikel zu genau diesem Thema und auch einigen anderen, die euch vielleicht in Zukunft auch noch beschäftigen könnten - beispielsweise zum Gegensatz von Wissenschaft und Magie, zur Geschichte des Elementarismus und Ähnliches. Hauptsächlich beschäftige ich mich aber mit Rollenspieltheorie, insbesondere mit dem Vorstellungsraum. Da ich ein Zunftbruder von Björn bin (und auch noch Psychologe) haben wir da glaube ich gar nich unähnliche Ansprüche und Zugangsweisen zu den Themen... Ich finde euren Schwerpunkt auf Ungeheuern sehr gut und erfrischend, aber auch eure "Sidequests" mit anderen Themen sind eine Bereicherung. Ich hoffe, dass ihr uns noch lange erhalten bleibt und verbleibe mit ungeheuer vernünftigen Grüßen!

Björn Herzig

Hallo Michael! Genau, der Kontext bzw. das Genre der Erzählung ist m. E. ganz wesentlich dafür verantwortlich, welche Erwartungshaltung wir mit Blick auf Realismus und logische Konsistenz an eine bestimmte Welt herantragen und welche Ereignisse, Handlungen und Phänomene wir darin für glaubwürdig halten. Es scheint da ein implizites Vorverständnis zu geben, das uns ein Gefühl dafür vermittelt, wie die entsprechende Welt funktioniert und welche Regeln in ihr gelten. Wirklich ein sehr spannendes Thema! Vielleicht finden wir in Zukunft noch mehr dazu heraus ...

Michael Kleu

Ihr habt da eine Sache aufgegriffen, über die ich mir immer wieder mal Gedanken mache. Bei Euch ging es um einen Oger, aber ich mache da jetzt mal eine Gorgone draus. Wenn ich in einer Fantasy-Welt bin, und mir dort eine Gorgone über den Weg läuft, juckt mich das nicht sonderlich, weil ich mich ja innerhalb einer Fantasy-Welt befinde, in der es alle möglichen übernatürlichen Kreaturen gibt. Warum soll es da keine Gorgone geben? Läuft mir aber stattdessen eine Gorgone in einer Erzählung über den Weg, die in unserer realen Welt spielt, ist das gleich eine ganz andere Geschichte, weil es sich dann um den Einbruch einer furchterregenden Kreatur in unsere Realität handelt, womit wir uns im Horror-Genre befinden. Der Ort, an dem wir auf ein und dieselbe Kreatur treffen, kann also bestimmen, in welchem Genre die Erzählung spielt. Finde ich ganz spannend.

Björn Herzig

Hallo Vaylan, vielen lieben Dank! Gerade diese Folge war ja recht untypisch, da es aufgrund der Podwichtel-Frage gar nicht um Monster ging, und auch herausfordernd, da mit dem cartesischen Gedankenexperiment gleich zu Beginn ein schöner Brocken philosophische Theorie serviert wurde. Umso mehr freuen wir uns, dass Du und Lubo unseren Bemühungen etwas abgewinnen konntet! Das ermutigt uns, auch in Zukunft nicht vor abstrakten Themen zurückzuschrecken. Und hey, wenn wir dabei nicht zu nervig rüberkommen, erleichtert uns das natürlich sehr ... Was die Redechemie angeht, haben wir tatsächlich ein paar Folgen gebraucht, weil es anfangs schwierig war, unseren natürlichen Gesprächsfluss mit den vorbereiteten Notizen in Einklang zu bringen. Inzwischen klappt es einigermaßen, obwohl bei uns - trotz Leidenschaft für die Sache - (noch) nicht so herrlich die Fetzen fliegen wie bei Eurem Podcast! Sind gespannt auf die kommenden Folgen!

Vaylan (Over the Hills Podcast)

Dies war unsere Einstiegsepisode in Euer Podcast-Projekt und der tollste Beitrag - nach unserem Dafürhalten - der Podwichteley 2021. Auch hier: Zwei supersympathische Castpersonen (man möchte reinkriechen und Euch knuddeln), eine sehr angenehme und vernünftige Redechemie und Inhalte, die von ungeheuer großem Mehrwert für uns alle sind. Danke schön dafür!

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